Das schwarze Herz by Barnes Mark
Autor:Barnes, Mark
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Blanvalet
veröffentlicht: 2014-09-26T04:00:00+00:00
Kapitel 16
»Wird die Vorstellungskraft sich selbst überlassen, so kann sie zu unserem schlimmsten Feind werden. Der Schmerz tut weniger weh als die Furcht vor dem Schmerz. Das Unbekannte ist oft beängstigender als das Bekannte.« Zamhon, Vater auf dem Berg der Gnostischen Assassinen Ishahayan und Assassinenmeister im Hohen Hause Näsarat (259. Jahr der Shrīanischen Föderation)
Im 495. Jahr der Shrīanischen Föderation, Tag unbekannt
Indris fühlte den Schmerz in seinen Schultern und an den Hüften, wo er nackt und mit ausgerenkten Gliedern mitten in der Luft aufgehängt war. Die Metallfesseln um seine Hand- und Fußgelenke waren heiß: nicht wirklich schmerzhaft, aber auch nicht gerade bequem. Er hörte das schwache Knacken und Brummen von Stricken aus reiner Energie, die die Fesseln mit dem Rahmen verbanden. Schweiß rann seine Arme hinab, den Oberkörper, den Rücken. Irgendwo hinter ihm pfiff eine kalte Brise und kühlte den Schweiß, noch während er sich bildete, sodass er sich verbrannt und ausgekühlt zugleich fühlte.
Es gab kaum genug Licht, um die rauen, unregelmäßig facettierten Flächen der Obsidianwände zu sehen. Er war in der Mitte eines großen, metallischen Rads festgezurrt, unfähig sich zu bewegen. Das Rad war mit Formeln aus Golddraht belegt und in regelmäßigen Abständen mit metallischen Scheiben verstärkt, die wiederum mit Kupferdraht und schweren Magneten ummantelt waren. Wenn er den Kopf ein wenig drehte, konnte er einen Kreis aus lichtlosen Ilhen-Kristallen über und unter sich ausmachen.
Sēqinquisitoren nannten die Vorrichtung, in der er sich befand, eine Umschriftquelle. Andere bezeichneten sie als Potenzialitätssenke – es war ein Apparat, der seinen Insassen umso fester hielt, je mehr Energie dieser aufwandte, um zu entkommen. Solange Indris still hielt und nichts unternahm, ließ er ihn in Ruhe. In dem Augenblick jedoch, in dem er seine körperlichen oder geistigen Kräfte einsetzte, flossen diese in die Quelle und wurden dort wer weiß wie lange eingelagert. Obwohl er wusste, dass es aussichtslos war – aber er musste die Möglichkeit ausschließen –, setzte Indris versuchsweise das Ahmsah ein, um zu sehen, was sonst nicht sichtbar war. Er fluchte. Der Raum jenseits der Wölbung der Quelle war ein Fadenspiel aus Disentropie, die von Spuren heißer Farbe durchzogen war – den Färbungen kriegerischer Energie.
Kann dieses Ding überlastet werden? Er hatte noch nie gehört, dass es jemand geschafft hätte, aber es gab für alles ein erstes Mal.
Er aktivierte seine Sinne. Langsam zuerst, dann immer schneller erfasste er die verborgene Energie der Welt, bis er fühlte, wie sein Rückgrat zu kribbeln begann. Bewusstsein wurde zu Unbehagen, Unbehagen zu Schmerz. Das leichte Kribbeln verstärkte sich zu bösartigen Stößen, die …
Als er die Augen wieder öffnete, war der Raum noch immer derselbe, bis auf den Geruch nach versengter Haut und Haaren.
Und die Gestalt eines Mannes in einem Rollstuhl, die vor ihm saß.
»Weißt du, wer ich bin?«, kam ein krächzendes Flüstern, als würde der Mann um jeden Atemzug ringen.
»Weißt du, wer ich bin?«, fragte Indris zurück.
Schmerz durchbohrte seinen Körper und brachte ihn dazu, um sich zu schlagen. Seine Zähne schlugen aufeinander, seine Muskeln verkrampften sich, und sein Rücken bog sich durch. Das Feuer verbrannte seine …
»Weißt du, wer ich bin?«, kam die Frage erneut, ein heiseres Flüstern in der Dunkelheit.
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